Pressemitteilung 24.05.2022: Ein halbes Jahr nach dem BverwG-Urteil zum Vorkaufrecht: der „Prüfauftrag“ wurde zum Trauerspiel

Als Bündnis Neues Vorkaufsrecht Jetzt! haben wir im November mit über 50 betroffenen Hausgemeinschaften und Initiativen Forderungen für ein neues Vorkaufsrecht gestellt. Ein halbes Jahr später ziehen wir eine düstere Bilanz: Die Bundesregierung verzögert die dringende Novellierung des gemeindlichen Verkaufsrecht. Dabei ist die Wiederherstellung des Vorkaufsrechts noch die kleinste aller Aufgaben, vor denen eine Wohnpolitik in Zeiten einer Mieten-, also Wohnkrise, steht. Währenddessen sehen sich tausende Mieter*innen von Verdrängung bedroht.

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Als das Vorkaufsrecht im November vergangenen Jahres durch das BVerwG gekippt wurde, fanden Koalitionsgespräche der Ampel statt. War spätestens mit der Urteilsbegründung klar, dass Handlungsbedarf besteht, auch wo und wie der juristische Missstand leicht behoben werden kann, hielten die Koalitionsparteien fest, dass zu prüfen sei, ob sich aus dem Urteil ein Handlungsbedarf ergebe. Der Prüfauftrag wurde zum Trauerspiel, bei dem die FDP die Hauptrolle spielt und die Koalitionspartner*innen nur noch Statist*innen sind.

Während in Ausschüssen und Anhörungen darüber debattiert wird, ob und wie das Vorkaufsrecht wieder hergestellt werden kann, laufen die Geschäfte der Investor*innen von einer wohlgesonnenen Politik befeuert munter weiter“, meint Luce G., Mitinitiator*in des Bündnisses für ein neues Vorkaufsrecht. Seit Februar liegt ein Gesetzesentwurf aus der Linksfraktion vor. Dieser hätte Grundlage für einen demokratischen Prozess unter Berücksichtigung der Zivilgesellschaft wie den Mietervereinen sein können.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat den Weg der Intransparenz und Flurpolitik gewählt. Gegen die Blockadehaltung der FDP hat das nichts geholfen. Diese sieht verschiedene Fragen – etwa die der Effizienz des baurechtlichen Instruments – nicht geklärt. „Es ist augenscheinlich das Ansinnen der FDP den politischen Preis gegenüber den Koalitionspartnern in die Höhe zu treiben. Auf dem Rücken von Mieter*innen der Häuser, die Tag für Tag verkauft werden, sind Effizienzdebatten unmoralisch.“, ärgert sich Klaus G., engagierter Mieter im Bündnis. Die Anhörung eines Gesetzesentwurfs von Die Linke gab einen Einblick in die Kontroverse: Werden notwendige Modernisierungsmaßnahmen durch Abwendungsvereinbahrungen verhindert? Gehen Abwendungsvereinbarungen und Vorkäufe zulasten des Klimaschutzes? Ist das Vorkaufsrecht ein geeignetes Instrument, um den Mietmarkt in Großstädten zu entspannen? Diese Fragen gehen an der Lebensrealität von Mieter*innen und dem Zweck der Milieuschutzgebiete vorbei.

In Berlin konnten seit dem Jahr 2015 12.199 Wohnungen in den sozialen Erhaltungsgebieten durch bezirkliche Vorkäufe und Abwendungsvereinbarungen geschützt werden, in München waren es in den vergangenen Jahren mehr als 5.000 Wohnungen. “Diese Zahlen vor allem aber die vor Verdrängung geschützten Mieter*innen machen eine Effizienzdebatte zum Instrument Vorkaufsrecht überflüssig. Was für ein Theater!“, sagt Simon D., Sprecher im Bündnis Vorkaufsrecht jetzt.

Die Wiederherstellung der Vorkaufspraxis in den Städten ist dringlich. Aus Sicht von Mieter*inneninitiativen muss das Instrument darüber hinaus verbessert werden. Wir fordern:

    • Echte Preislimitierung auf den Ertragswert

    • Echtes Begleitangebot für betroffene Hausgemeinschaften sowie deren Mitbestimmung im Verfahren

    • Transparenz gegenüber den Hausgemeinschaften (insbes. Identität der Erstkäufer und Inhalte der Abwendungsvereinbarung)

    • Echter Schutz auch durch zeitlich nicht limitierte Abwendungsvereinbarungen

Der noch nicht veröffentlichte Referent*innenentwurf der Ministerin Geywitz scheint zwar über den Hauptauftrag der Wiederherstellung hinaus zu gehen, dies aber in die falsche Richtung.

Für die Zeitlimitierung der Abwendungsvereinbarungen und die eingrenzende Bestimmung ihrer Inhalte per Gesetz, wie sie laut Berichterstattung geplant zu sein scheint, besteht kein juristischer Bedarf. Die Folgen des Urteils des BVerwG werden mitten in einer Mietenkrise zur Gelegenheit, das Instrument des Vorkaufsrechts zu ENTschärfen. Es ist ein Skandal, dass die Gestaltungsmacht der Kommunen weiter eingeschränkt werden soll, ist ihre Stellung gegenüber der immensen Geldmacht des Immobilienmarktes doch ohnehin die eines Davids.

Wir, das sind betroffene, organisierte Hausgemeinschaften, Vereine und stadtpolitische Initiativen aus den Kiezen, wollen echten Milieuschutz und keine weitere Verdrängung hinnehmen. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts am 9.11.2022 haben wir uns zusammengeschlossen in einem Bündnis für ein Neues Vorkaufsrecht jetzt. Rund 50 Hausgemeinschaften und Initiativen unterstützen unsere Forderungen für ein rechtssicheres Vorkaufsrecht mit weitereichendem Handlungsspielraum für die öffentliche Hand und damit bessere Steuerungsmöglichkeiten für eine gerechte Stadt für alle.

https://neues-vorkaufsrecht.jetzt/ueber-uns

Pressekontakt: vorkaufsdesaster@posteo.net